das hatte ich mal in einem anderen buch veröffentlicht - denke daer anwalt wird das auch ok finden -
Das internationale Erbrecht im deutsch-kanadischen Rechtsverkehr
Zunehmend werden Juristen in Deutschland und Kanada mit grenzüberschreitend gelagerten Erbrechtsfällen befaßt. Die Zahl derjenigen deutschen Auswanderer, die – entweder noch als deutsche Staatsangehörige oder aber als kanadische Staatsangehörige – in Kanada sterben, nimmt aus rein biologischen Gründen stetig zu.
Dabei besteht häufig die Situation, daß in den Nachlaß eines in Kanada verstorbenen Erblassers bewegliches bzw. unbewegliches Vermögen fällt, das sich in Deutschland befindet. Häufig stellt sich auch erst nach Eintritt des Erbfalls heraus, daß durchaus noch erbberechtigte Verwandte, an die keiner mehr gedacht hat, in Deutschland leben können. In all diesen Fällen stellt sich die Frage, nach welchem Recht der Erblasser beerbt wird und wer nach diesem anwendbaren Recht welche Ansprüche hat.
Während das deutsche Recht dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgt und damit die erbrechtlichen Regeln desjenigen Staates zur Anwendung bringt, dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Ablebens formell angehörte, geht das kanadische Erbrecht – wie auch das anglo-amerikanisch geprägte Erbrecht anderer Staaten – grundsätzlich vom Domizil-Prinzip aus. Der deutsche Auswanderer, der zunächst die kanadische Staatsangehörigkeit erlangt hat, dann aber seine letzten Jahre wieder in Deutschland verbracht hat, würde dementsprechend grundsätzlich nach dem deutschen Recht beerbt, dies aber mit der Besonderheit, daß sein in Kanada belegener Grundbesitz wiederum nach dem Recht der jeweiligen Provinz vererbt würde, in der der Grundbesitz sich befindet. Umgekehrt würde derjenige, der Deutscher geblieben ist, aber zuletzt sein Domizil in Kanada hatte, aus Sicht des deutschen Rechts nach deutschem Recht beerbt, während das kanadische Erbrecht zur Anwendung kanadischen Rechts gelangt und lediglich auf den im Ausland – beispielsweise in Deutschland vorhandenen Grundbesitz das dort anwendbare Erbrecht anwendet. Diese grundlegend unterschiedlichen Strukturen des internationalen Erbrechts beider Staaten führen zu manchmal verwirrenden Fallgestaltungen, die dann zukünftig dazu führen können, wenn die erbrechtlichen Folgen beider Rechtsordnungen nicht deckungsgleich sind. Teilweise gibt es erhebliche Unterschiede bei den Enterbungsmöglichkeiten sowie den Pflichtteilsansprüchen, insbesondere unter Ehegatten.
Die Komplikationen sind noch steigerungsfähig, wenn man bedenkt, daß die Art und Weise der Nachlaßabwicklung in beiden Staaten grundsätzlich verschieden ist. In Deutschland gilt der Grundsatz der Universal-Sukzession, der besagt, daß im Moment des Todes des Erblassers sein Vermögen an die gesetzlichen bzw. testamentarischen Erben übergeht, die – mangels Einsetzung eines Nachlaßverwalters oder Testamentsvollstreckers – automatisch in die rechte Position des Erblassers eintreten. In Kanada hingegen fällt im Regelfall der Nachlaß zunächst einem Nachlaßverwalter oder Testamentsvollstrecker zu und steht damit nicht zur Verfügung der Erben, bis die Verwaltung bzw. die Vollstreckung beendet worden sind. Hieraus ergeben sich interessante Konstellationen, wenn beispielsweise zum Nachlaß ein deutsches Grundstück gehört, sich im Falle eines Streits zwischen den Erben dann aber die Frage stellt, ob das deutsche Grundstück – dem deutschen Erbrecht folgend – unmittelbar an die testamentarischen bzw. gesetzlichen Erben übergegangen ist oder ob es zunächst dem Zugriff eines kanadischen Nachlaßverwalters oder Testamentsvollstreckers ausgesetzt ist.
Anwälte und insbesondere Nachlaßgerichte, die mit derartigen Fällen befaßt werden, greifen im allgemeinen auf das Standard-Werk zum internationalen Erbrecht, den „Ferid/Firsching“ zurück, ein Loseblattwerk, in dem seit Jahrzehnten die Erbrechte der verschiedensten Länder der Welt in Originalsprache sowie deutscher Sprache dargestellt und teilweise auch kommentiert werden. Recht umfassend konnte man sich bisher bereits über die Erbrechtsordnungen in den Ländern Albanien, Georgien und Slowenien informieren, mußte jedoch zu seinem großen Erstaunen feststellen, daß es bislang einen Länderteil „Kanada“ nicht gab. Diese Lücke wird nunmehr im „Ferid/Firsching“ geschlossen, und zwar in einem ersten Schritt durch die Darstellung des in der Praxis wohl wichtigsten Bereichs, nämlich der Provinz Ontario. Im Sommer dieses Jahres wird die entsprechende Ergänzungslieferung erscheinen, die es künftig ermöglichen wird, auf die in der Provinz Ontario geltenden Gesetze – von denen die wichtigsten zweisprachig in synoptischer Gegenüberstellung abgedruckt sind – zurückzugreifen. Verfaßt wurde die Darstellung des Erbrechts der Provinz Ontario durch den in Dortmund tätigen und auch in New York zugelassenen Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Nockelmann, der sich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit in erheblichem Umfang mit Fragen des deutsch-amerikanischen sowie des deutsch-kanadischen Rechtsverkehrs befaßt und in seiner Funktion als Präsident der kanadisch-deutschen Juristenvereinigung seit vielen Jahren enge Kontakte zu kanadischen Juristen unterhält.
Der „Ferid/Firsching“ wird aufgrund seiner Größe und seiner Anschaffungskosten nicht in jeder Anwaltskanzlei zu finden sein. Im Falle eines Falles wird aber auch nicht jeder Anwalt dafür prädestiniert sein, grenzüberschreitende Erbrechtsfälle zu lösen bzw. in diesem Zusammenhang zu beraten. Soweit Beratungs- bzw. Vertretungsbedarf entsteht, empfiehlt es sich in jedem Fall, Kontakt zu Anwälten aufzunehmen, die über Kenntnisse und Erfahrungen im kanadisch-deutschen Rechtsverkehr verfügen und darüber hinaus über gute Kontakte im jeweils anderen Land, um die zahlreichen Fragen, die in der Praxis entstehen können und bei deren Beantwortung auch Standard-Werke (noch) passen müssen, lösen zu können. Adressen von auf diesem Gebiet tätigen Anwälten in Kanada wie in Deutschland teilt auf entsprechende Anfrage die Kanadisch-Deutsche Juristenvereinigung in Dortmund mit.
Autor: Dr. Wolfgang Nockelmann, Präsident der kanadisch-deutschen Juristenvereinigung: nockelmann@aulinger-spieker.de