Im Juni 2003 produzierte ich eine Sendung über Jamaika.
Studiogäste (Kollegen) / Interview waren damals Klaus Naßhan und Eileen Börner von amnesty international - Koordinationsgruppe englischsprachige Karibik.
Einige Tage vor dem Interview waren wir von Peter Gabriel eingeladen worden. Er hatte ein Konzert in der Stuttgarter Schleyerhalle und er unterstützte mit der Einladung, dass auf die Menschenrechtsverletzungen in Jamaika aufmerksam gemacht wurde.
Hier ein Auszug aus dem Interview, dass ich mit Klaus und Eileen führte fürs Radio:
Jamaika
In keinem anderen Land der Welt werden so viele Menschen pro Kopf von der Polizei getötet wie in Jamaika.
In der jamaikanischen Nationalhymne werden die Grundwerte des Landes beschrieben:
Justice and Truth be ours forever.
Jamaika hat eine parlamentarische Demokratie, ist also ein Rechtsstaat.
Es gibt ca. 1.000 Morde jährlich auf Jamaika bei 2,6 Mio Einwohnern.
Jährlich sterben ca. 140 durch die Polizei (amnesty international).
Die Polizei hat z.B. sieben Jugendliche ermordet ohne Untersuchung. Keiner der Polizisten mussten gegen einen Kollegen aussagen. Sämtliche beteiligte Polizeibeamten bekamen Aussageverweigerungsrecht gegenüber den anderen Polizisten.
Ist ein seltener Fall, dass eine Untersuchung eines Falles statt fand, selten wissen die Angehörigen eines Opfers nicht, dass es die Möglichkeit überhaupt gibt, wenn eine Untersuchung stattfindet, kommt es selten zur Anklage und wenn überhaupt ein Urteil erfolgt, wird es später revidiert.
Faktisch kann die Polizei auf Jamaika straflos töten.
Auch auf Jamaika ist die Todesstrafe vorgesehen. Seit 1983 ist allerdings niemand mehr hingerichtet worden.
Das hat mit einem Urteil des obersten Verfassungsgerichtes zu tun, in dem festgestellt wurde, dass es der jamaikanischen Verfassung widerspricht, wenn jemand länger als fünf Jahre zum Tode verurteilt ist und auf „seine Hinrichtung wartet“.
Die Folge davon ist, dass jeder natürlich versucht, diesen Zeitraum irgendwie zu überleben -sprich - durch alle Rechts-Instanzen zu gehen. Das ist in keinem Rechtsstaat der Welt möglich, dass ein Urteil innerhalb von fünf Jahren, wenn der Delinquent nicht freiwillig seine Möglichkeiten fallen lässt, dass innerhalb von fünf Jahren ein Urteil vollstreckt wird.
In der Konsequenz heißt das für die jamaikanische Regierung, die den immer wieder geäußerten Willen hat, die Todesstrafe zu vollstrecken, dass sie überlegen, die Verfassung zu ändern, dass sie von internationalen Verträgen zurücktreten, die Menschen eine Möglichkeit einräumen, vor internationalen Gremien Klage einzureichen.
D. h. der Versuch eine Menschenrechtsverletzung voranzubringen, hat die Folge, dass der Menschenrechtsschutz für die gesamte Bevölkerung immer weiter zurückgeschnitten wird.
Auf Jamaika wird nach wie vor als Körperstrafe die Prügelstrafe verhängt und vollstreckt. Sie steht als Strafe für Vergewaltigung nach wie vor in den Gesetzen und das in einem nichtislamischen Land. Aber nicht nur als Strafform wird Prügel in Jamaika eingesetzt. Während Polizeiermittlungen ist es Gang und Gebe, Leute zu verprügeln. Dazu werden verschiedene Formen eingesetzt. D. h., dass Leute gefesselt werden und dann mit dem nassen Handtuch geschlagen werden, sei es, dass sie brutal zusammengeschlagen werden. Wenn sie denn die Tortur überlebt haben und im Gefängnis sind, haben denkbar harte Bedingungen.
Die Gefängnisse auf Jamaika sind fast alle noch in der Kolonialzeit entstanden und etwa 10fach überbelegt. So ist es nicht verwunderlich, dass in einer Zelle zahlreiche Menschen eingepfercht wurden und am nächsten Morgen war die Hälfte der Menschen erstickt.
Sanitäre Einrichtungen in den Zellen gibt es eigentlich nicht. Nur ein Fäkalieneimer, der ab und zu von den Gefangenen entleert werden darf. Gelüftet werden die Zellen durch kleine Schlitze, und das in einem Land wo es über 40 Grad Celsius gibt.
Vor zwei Jahren streikten Gefängniswärter. Das Militär hat dann die Zellen eines Frauengefängnisses überwacht. Als Ergebnis waren danach fast alle junge Frauen schwanger. Die Frauen klagten, dass sie von den Soldaten vergewaltigt wurden.
amnesty international liegt ein Brief des damaligen jamaikanischen Innenministers vor, der sagte:
„Es waren keine Vergewaltigungen, da die sexuellen Akte durch die Gefängnisgitter geschahen.“
Homosexualität in Jamaika
Eine Gruppe, die es in Jamaika besonders schwer hat, sind Schwule. Homosexualität ist nach wie vor illegal. Verfolgt wird allerdings nur männliche Homosexualität. Einvernehmliche sexuelle Akte zwischen zwei Männern stehen unter Strafe.
Das sind sogenannte Sodomiegesetze. Diese Gesetze kommen an sich nicht zur Anwendung. Allerdings ist die Gesellschaft dermaßen homophob, dass eigentlich schon das bloße Wort: „Dieser Mann ist schwul“ schon ausreicht, damit er verprügelt wird, sowohl von der Polizei als auch von der Bevölkerung. Das Wort „schwul“ gilt inzwischen bei der Polizei quasi als Codewort, dass einfach besonders brutal mit diesem Mann umgegangen wird.
Der Mann hat dann das doppelte Problem zum einen nachzuweisen, dass er von der Polizei verprügelt worden ist und zum anderen nachzuweisen, dass er „nicht schwul“ ist, weil die tatsächliche sexuelle Identität dabei überhaupt nicht in Frage steht.
Die Sendung wurde am 30.06.2003 in Stuttgart gesendet.