Weil's grad so passt -> Happy Birthday Götz George Liebe Macht Blind (so hieß der Film)
Ich stehe bei Aldi an der Kasse, ausgerechnet jetzt klingelt mein Handy! Gerade am Aufladen von Klopapier und Kartoffeln. Zum Glück notiert sich meine Tochter alles. Hier spricht B...Casting. Sie wurden für eine Film-Produktion ausgesucht. Es ist ein Film mit Götz George (Schimanski) Barbara Auer, Thomas Thieme und Armin Rohde. Haben Sie Anfang Oktober Zeit? Bin überrascht. Ja, ich habe Zeit. Stehe zwar gerade im Supermarkt an der Kasse, rufe zurück.
Kein Problem, wir rufen in zehn Minuten wieder an. Meine Tochter notiert vorsichtshalber die Nummer. Es klingelt wieder. Bitte kommen Sie am Donnerstag um 17 Uhr nach Stuttgart Feuerbach in die Villa „Sowieso“. Es sind Nachtaufnahmen (keine Nacktaufnahmen), werden bis morgens gehen. Ist das o.k.? Ja, alles klar. Sie sollten festlich angezogen sein. Es ist eine Nobel-Villa und eine Doktorhutverleihung mit der dazugehörigen Party. Haben Sie was Elegantes? Mmmh, überlege, könnte ich schon auftreiben. Die Maskenbildnerin wird sie nochmals anrufen und genau alles abklären.
Hauptsache Sie haben Zeit. Ja ist in Ordnung, ich werde da sein. Jaaaaaaaa!
Ich nehme einen freien Tag, um richtig auszuschlafen und mich auch chic frisieren zu lassen für meinen Filmeinsatz mit „Schimi“ & Co. Meine Freundin A. schickte mich in die Fussgängerzone zum Friseur "Haarschreck". Er würde tolle Fönfrisuren machen. Die Tochter des Friseurs ist eine Schulfreundin meiner Tochter. Obwohl er im Stress ist, übernimmt er meine Frisur. Leider fertigt mit der Brennschere schreckliche Löckchen in mein naturgelocktes Haar.
Im gegenüberliegenden Kaufhof begutachte ich mich in einer Umkleidekabine und bin geschockt. Ich sehe aus wie eine Rokokodame. Schrecklich! „Es hängt sich aus“, meint der Friseur, bis heute Nachmittag! Nein, das geht so nicht!
Ich such mir den nächsten Friseur um die Ecke. „Monikas Friseurlädle“. Sie schaut mich entgeistert an. „Wo kommen Sie den her“!„Ich – ich komm direkt vom Friseur. Oh Gott, ich muss Ihnen die Haare hochstecken, ich kann leider sonst nichts für Sie tun. Ok. Hauptsache, Sie machen mir diese schrecklichen Locken weg“. Noch 20 Minuten warte ich auf ihrer schwarzen Ledercouch.
Ihr beiger Labrador legt seine feuchte Schnauze auf meine schwarze Hose und Jacke. Überall sind seine hellen Hunde-Haare verteilt. Er zerrt wild an meiner Kaufhoftüte. Die Friseurin entschuldigt sich zigmal. Hundi Labrador ist verrückt nach Plastik-Tüten. In der Tüte ist aber meine neue Seiden-Jacke und Bluse für die Filmnacht mit Schimi. Ich kämpfe und zerre verzweifelt darum, dass Plastik-Tüten-Hundi nicht dran kommt. Monika zaubert mir in fünfzehn Minuten eine tolle Hochsteckbanane und Gracia Patricia würde sich mit Doris Day nach mir umdrehen (nein, nicht im Grab).
Sie steckt senkrecht noch eine chice schwarze elegante Haarspange rein. Ich sehe perfekt aus. Wie eine Hollywood-Diva verlasse ich mit Hundehaaren ihren Salon und bereite mich seelisch auf die Filmnacht mit Götz George und wen auch immer vor.
Von Mary erhielt ich ein großes Paket mit Designerklamotten und Jana hat mir ihre sündhaftteuren schwarzen Miederhöschen geliehen, zudem stattete sie mich mit edlem und doch dezentem Perlenschmuck aus, sehr fein. Aschenputtel hat ihre sieben Sachen beieinander und ist bereit – Ruckediguu, verlier nicht den Schuh.
Handtasche und alle Accessoires, die eine elegante Dame am Abend so trägt, hab ich. Dazu noch einen eng taillierten schwarzen Overall, ärmellos, den man mit einem langen Reißverschluß hinten zuzieht. Ich entscheide mich nach zwei Stunden Anprobe für die beige-schwarze Seidenjacke von Mary. Sie passt gut zu meinem blonden Haar, der Handtasche und Schuhe in einem leichten Metallic-Ton geben einen tollen Kontrast zu dem Anzug.
Meine Familie begutachtet mich und entlässt mich mit einem "ausgezeichnet". „Du kannst gehen“.
Um 16 Uhr setze ich mich wohlgelaunt ins Auto und fahre nach Stuttgart-Feuerbach. Ein Katzensprung. Schon an der ersten Kreuzung ist ein Megastau. Für die vier Kilometer brauche ich ca. 2 Stunden. Vom Auto aus rufe ich per Handy dem Filmteam an. „Es tut mir leid, ich werde zu spät kommen. Kein Problem, Die ganze Filmcrew ist noch nicht da, alle stecken im Stau“. Wir haben genug Zeit. 20 Minuten irre ich in Feuerbach herum, weil kein Einwohner die Strasse kennt und noch weniger die Film-Villa (Drehort).
Da die ganze Strasse total abgesperrt ist, muss ich mit meinen hochhackigen Sandalen noch ziemlich weit bergauf stolzieren. Von weitem nicht übersehbar: Cinderella is coming.
Riesige Lastwagen mit Gerätschaften, hektische Personen, die hin und herrennen. Eine weisse Villa, früher gehört sie einem bekannten Gewerkschaftsführer, sie wird oft als Drehort benutzt. Vor der Villa stehen protzige Autos: Rolls Royce mit Pseudo-Diplomatenbannern, Bentley, Porsche usw.
Freundlich werde ich begrüsst und in den Keller in einen riesigen eleganten Billardraum geführt, direkt daneben ist ein Schwimmbad.
Dieser Raum ist als Garderobe umfunktioniert worden. Zwei Satz Ersatzkleider hab ich wie gewünscht dabei. Abwechselnd ziehen sich die Herren und Damen um.
Kritisch wird nochmals bei allen alles abgecheckt. Die Herren bekommen Orden angeheftet, echte Bundesverdienstkreuze und ähnliches. Alle Herren tragen Smoking, Stresemann, einige haben hässliche Jackets dabei, in Pepita, dazu noch ein grossgemusstertes Hemd, das in einem Bier-Bauch eingezwängt ist. Die Kostümleute verdrehen die Augen und suchen fieberhaft in ihrem Fundus nach neutralen Jackets, die auch noch passen könnten.
Jetzt komm ich an die Reihe. Die Kostümbildner sind mehr als zufrieden. Bei mir wäre alles bestens. Die Kleidung, super, die Handtasche sei weltklasse und die Schuhe passen auch, Ton in Ton. Die Frisur wird gelobt und geschminkt brauche ich auch nicht zu werden, sagt die Maskenbildnerin.
Ich bin die Einzige, an der nichts verändert wird. Schade! Ich wäre so gerne von der Maskenbildnerin verschönert worden. Ich beobachte in der Maske, wie sie aus hässlichen Entleins schöne Schwäne zauberten. Unglaublich! Naja, bei dem karierten Dicken mit dem Pseudo-Hawaii-Hemd und dem Seehundschnauzbart können sie wenig machen. Sie lassen es durchgehen.
Wir warten zwischendurch draußen am Eingang vor der Villa zwischen einem weissen Porsche und eine dunklen Rolls Royce auf unseren Einsatz. In den noblen Karossen werden wir später auch mal sitzen.
Plötzlich geht ein Raunen um. Götz George kommt mit Smokinghose und nacktem Oberkörper auf uns zugelaufen. Im Gehen knöpft er sich sein Smokinghemd an. Es ist nicht zu fassen, es gibt doch tatsächlich einige Damen, die anfangen zu kreischen vor Entzückung. Peinlicher geht’s nicht. Das würde ich für keinen Mann der Welt machen, vor allem nicht für Schimi. Zudem, je mehr mir ein Mann gefällt, desto zurückhaltender werde ich. Schimanski interessiert mich nur als Darsteller, sonst ist er nicht mein Typ.
Wir werden in die Villa reingerufen und ich seh den Klappstuhl am Eingang mit Götz George drauf.
Dann betreten wir eine riesige Wohnhalle. Alt und neu elegant vermischt. Tolle Gemälde von Picasso bis Dali und außergewöhnliche Möbel und Kunstgegenstände. Ein riesiger Flügel steht in der dreigeteilten Wohnhalle und vier Herren im Smoking machen erstklassige Kammermusik, sind noch am proben, sie wurden direkt vom Stuttgarter Staatstheater ausgeliehen. Eigentlich sind wir alle „Leihgaben“, mich eingeschlossen. Rent a lakota.
Eine dunkelrote Samtdecke deckt den Flügel ab, darauf ist ein malerisches kaltes Buffet angerichtet. Lecker anzusehen! Nicht zum Verzehr. Es wird alle zwanzig Minuten mit Wasserdampf eingesprüht.
Wir sind 25 Darsteller und drei große Film-Doggen. Armin Rohde, der den Doktorhut in dem Dreh von Götz George aufgesetzt bekommen wird, spielt einen Hundnahrungsmittelfabrikant im Film, der sich für 500.000 US-Dollar einen Doktortitel bei Götz George gekauft hat. Leider nicht summa cum laude, wie er dann moniert.
Ihm gehört im Film die Bauhausstil-Villa. Alles sind angebliche Gauner, Titelhändler und Möchtegerneadelige und es geht wild zu. Wie im richtigen Leben. Mein Haus, mein Boot, meine Frau.
Götz George verliebt sich laut Drehbuch dann in die angebliche Adelige Barbara Auer, die er dann heiratet, nicht nur wegen dem Adels-Titel, er ist auch verliebt in sie. Der Film spielt aber hauptsächlich danach in der Wüste in Namibia. Sechs Wochen mit Filmteam im Zeltcamp mit Dixi-Klo und Wüsten-Getier, was so ins Zelt reinschleicht.
Es gibt Szenen mit Schlägereien und Teile vom Bufett werden den Darstellern oder den Stuntmans ins Gesicht geschmiert. Majonaise, Wurst, Käse, Senf. So erklärt man uns das Ende des vorangegangen Drehtages in Baden-Baden, an dem die Filmhochzeit stattfand zwischen Schimi und Barbara Auer.
Ich bekomme einen sehr großen, gutaussehenden Filmpartner zugewiesen. Was will Frau lakota mehr.
Jeder hielt ein Sekt- oder Bierglas in der Hand und wir spielten eine angetrunkene Abend-Gesellschaft. Die Sau rauslassen, herrlich.
Thomas Thieme, ein begnadeter Schauspieler, steht direkt neben mir, hält das blaue Samtkissen, darauf den Doktorhut.
Er soll den Hut Götz George überreichen, der dann dem stämmigen Armin die absichtlich viel zu große Kopfbedeckung aufsetzt, so dass man nur die Nasenspitze von ihm sieht und dann sagen, dass er wohl darin noch reinwachsen müsste. Die Szene wird 10 mal wiederholt.
Jedesmal steht Thomas mit seinem Ausgangspunkt neben mir. Er führt aus Langeweile Selbstgespräche (teils in sächsisch), blinzelt mir zu, flirtet mit mir, lächelt mich an, fixiert sich auf mich. Ich tu so als ob ich es nicht bemerke. Schaue durch ihn durch. Ich werde doch nicht offen einen Schauspieler anhimmeln, niemals! Zudem werde ich ihn ja bestimmt nie wieder danach sehen und in die Wüste kann ich ihm auch nicht folgen. Cinderella schweigt zurück- haltend.
Ich muss mich also konzentrieren. Er versucht mit mir Blickkontakt aufzunehmen und macht mich fast verlegen. Ich finde ihn zauberhaft. Ein stattlicher, großer Mann mit einer Stimme, die unter die Haut geht! Gewaltige Ausstrahlung. Ein deutscher Schauspieler. Warum kannte ich ihn vorher nicht?
Den Namen werde ich mir auf jeden Fall merken. „Thomas Thieme“ Nochmals, was nützt mir das, er wird sowieso am nächsten Tag nach Namibia zu den restlichen Dreharbeiten weiterziehen und daheim wartet sein Fein-Liebchen.
Also jede Gemütsregung lohnt sich nicht. Götz und Armin sind nicht zu überhören. Beide beeindrucken. Armin rollt typisch mit seinem Glupschaugen und bringt die ganze Film-Crew zum Lachen.
Die Regie-Assistentin Steffi, blutjung, hübsch und super reaktionsschnell hat alles im Griff. Der fesche Regisseur aus Hamburg muss nur wenig eingreifen. Steffi schmeisst den Laden und kommandiert Götz wie einen Schuljungen rum. Bitte! (Action!)...ist das Zauberwort... so beginnt die Szene und mit "Danke" (Cut) hört sie auf.
Es werden Marken auf den Boden geklebt, damit die Darsteller wissen, wo sie stehen und bis wohin sie gehen müssen. Plötzlich bricht Steffi alles ab.
Sie hat bemerkt, dass ein Stück Teppich mitten im Weg liegt. Der Regisseur ruft freundlich: Danke Steffi! Götz gleich hinter her: Danke Steffi! Thomas und Armin gefällt das gerade erfundene „Danke Steffi-Wortspiel“ und danach die ganze Crew: Danke Steffi! Alle sind heiter und der Dreh geht weiter.
Dann drehen wir die Szenen, in der wir uns alle daneben benehmen können. Die Sau rauslassen. Herrlich!
Eine Rauch-Maschine vernebelt die große Wohnhalle. Wir sind locker, es macht Spass und brauchen uns auch das Lachen nicht zurückhalten. Alles ist erlaubt, was wir wollen, nur nicht anständig benehmen. Die Damen bekommen Zigarillos und einige der Herren dicke Zigarren. Die Luft ist durch den Tabakqualm und die Dampfmaschine zum schneiden. Das "echte" Streichquartett spielt unentwegt Kammermusik.
Ich werde sogar ermahnt, ich soll das Sektglas nicht so damenhaft anfassen. Ideale Bedingungen.
Die riesigen Film-Doggen gehorchen nicht. Die zierliche asiatische Kellnerin wird von ihnen in meine Richtung gezogen. Sie hat keine Chance gegen die ungehorsamen Hunde.
Ich denke, sie wollen zum Flügel, da liegt genug zum Fressen als Deko, also kann mir hundemässig nichts passieren. Sie werden sich eher auf die herunterhängenden Würste Stürzen als auf mich. Der Regisseur gibt auf: Egal was die Doggen jetzt machen, sie dürfen es, nur nicht den Regisseur auffressen. Es sind Filmhunde, aber sie machen so ziemlich alles falsch. Sie horchen einfach nicht (bin mir sicher, dass es Rüden waren!) Sonst hab ich keine Erklärung dafürl
Mein Filmpartner steht mit mir ganz nah am kalten Buffet, das auf dem Flügel malerisch angerichtet ist. Würste, die wie Korkenzieher herunterhängen, Fleischpasteten, Käse, Radieschen-Mäuse und viele optische Delikatessen machen uns an. Das Buffet wird dauernd mit einem Wasserzerstäuber bespritzt, um es frisch glänzend zu halten.
Die Film-Kellnerin führt die Doggen zu uns beiden. Mein Gegenüber spielt in Gedanken schon eine gewagte Szene durch, in der die Doggen gleichzeitig einen Satz über uns auf das kalte Buffet machen und sich die Würste schnappen und er sich hinterher hechtet und noch einiges rettet und das Chaos perfekt ist. Wir sind locker. Die Anspannung ist vorbei.
So langsam knurrt uns der Magen, die Film-Nacht ist noch sehr lang. Von siebzehn Uhr abends bis vier Uhr morgens.
In den Pausen beobachte ich die Leute, die mitwirken. Wieder wundere ich mich. Teilweise sind sie geschmacklos angezogen – trotz der Unterstützung der Kostümbildner, extrem geschminkt oder frisiert. Fast schon wieder filmreif, skurril. Eine aufgedonnerte Mitvierzigerin hat ihren weissen Porsche mitten auf der Strasse stehen lassen. Sie hat mehr Lack auf ihrem langen toupierten Haupthaar als ihr Zuffenhausener Hobel. Wie ein Pudel dackelt sie Götz George hinterher und himmelt ihn an, ohne Schamgrenze.
Um 2 Uhr nachts gibt es Abendessen, das ursprünglich für 24 Uhr geplant war. Ein großer Catering-Lkw mit Küche steht vor der Villa. Es ist ziemlich kalt an diesem Oktoberabend, wir haben ja Sommerkleidung an, zudem sind wir alle schon sehr müde. Alle Darsteller und die Film-Crew stellen sich geduldig an, direkt vor mir der große Götz.
Es gibt Sauerkraut und Schweinebraten, Knödel und Quark und Obst. Und das mitten in der Nacht um zwei Uhr. Wir hocken auf Bierbänken draußen in der Kälte und essen so schnell es geht, da jede Minute erneut das Zeichen zum weiterfilmen kommen könnte und wir viel zu spät dran sind. Es schmeckt lecker und wir scherzen und plaudern.
Ich spüre meine Beine nicht mehr. Es ist doch anstrengender, als ich gedacht habe. All die elegant gekleideten Darsteller hängen plötzlich rum und die meisten schlingen mitten am frühen Morgen um die Mahlzeit hastig runter. Einige müssen nach dem ersten Bissen Gabel und Messer fallen lassen und Szenen nachdrehen.
Keine Gnade. Alle Filmleute sind mit Headsets und Sprechgeräten ausgerüstet. Alles muss schnell gehen, wir hinken der Zeit hinterher. Ich hatte Glück und durfte auch den Nachtisch in Ruhe essen und kann auch über die Tischnachbarn nicht mäkeln.
Die Darsteller haben sich in zwei Gruppen gespalten. Es kommt plötzlich eine gereizte Stimmung auf.
Wieder wundere ich mich. Die Leute können sich nicht mal eine Nacht zusammenreißen. Ein älteres Eheepaar, das sich trotz Verbot an Götz rangehängt hat, um Autogramme zu bekommen, meckert und streitet mit einigen anderen Darstellern.
Ich bin total erschöpft. Lege meine Füsse hoch auf den riesigen Billiardtisch, der mit Folie abgedeckt ist. Zum Trinken gibt es genug und Schokoriegel und Kekse, Kaffee und sonstige Aufmuntermittelchen.
Ich werde wieder zu einer Einstellung gerufen und kann kaum noch stehen. Inzwischen ist es drei Uhr morgens. Das Sektglas mit dem ekelhaften abgestandenen alkoholfreien Asti-Film-Sekt, das ich schon seit Stunden in der Hand halten soll, nervt.
Die Biergläser der Herren werden mit einem kleinen Quirl aufgeschäumt. Keiner würde es wagen, daran zu nippen. Ein abgestandenes lauwarmes Teufelsgebräu.
Ich muss auch dringend aufs Klo. Es gibt zwar zwei bis drei Toiletten in der noblen Villa sowie zwei Schwimmbäder – innen und außen (ich pinkle meist nie in fremde Pools), Sauna, Billardzimmer und Fitnessraum.
Endlich habe ich ein Badezimmer gefunden, das eigentlich nur die Hauptdarsteller benutzen dürfen. Es ist riesig, elegant. Eher eine Luxusoase, ca. 30 qm. Wir gehen zu zweit rein. Meine Begleiterin ist mir behilflich, den langen Reißverschluss an meinem Overall hinten runterzuziehen.
Von draußen hören wir es schon an die Tür hämmern.„Hallo, ist jemand drin“? Die Hauptdarsteller müssen dringend das WC benutzen. Die Drehpause ist nur 10 Minuten. Ich versuche verzweifelt mit allen Tricks meinen superlangen Reißverschluss am Rücken zuzuziehen.
Es hängt am unteren Teil. In der Mitte vom Po ist der Ansatz des Verschlusses. Zwar habe ich noch eine Seidenjacke drüber, die ist aber sehr kurz. Wie soll ich mit freiem Rücken bis unterem Po-Ansatz mit Götz & Co. weiterfilmen?
Das Bild muss stimmen, die Einstellung. Die nehmen wirklich jedes Detail ernst, ich bin zwar nicht so wichtig, aber ein Detail eben. Was tun!
An der Tür wird immer energischer gehämmert. „Hallo, ist da jemand drin“! Meine Begleiterin hat die Ruhe weg. Sie gibt nicht auf, sie nestelt an meinem Po rum und an dem verdammten Verschluß. Ich fange an zu schwitzen, bete laut. Nur Ruhe, es muss doch klappen. Wir rufen nach draußen, daß wir ein kleines Problem haben. Sie (die Hauptdarsteller) möchten doch bitte ein anderes Badezimmer aufsuchen, die aber defekt waren, es gab für das riesige Filmteam nur dieses Bad, wenig Pausen und jetzt war ich eben drin. Basta.
Wegen mir müssen die bisher gutgelaunten Akteure vor der Türe schon 20 Minuten warten oder ist es etwa der charmante Thomas Thieme? Er wird mir beim Dreh nicht mehr neckisch zuzwinkern mit voller Blase.
Ich gebe auf, werde wohl bei der Maske um Sicherheitsnadeln bitten müssen, und so weiterspielen, oder mich zunähen lassen. Ziehe meinen Bauch ein und wir starten noch einen letzten Versuch und sie schafft es.
Langsam zieht sie mir den 40 cm langen Reissverschluss zu. Schnell die Seiden-Jacke drüber und wir öffnen erleichtert, verlegen die Badezimmertüre. Davor stehen drei nervöse Hauptdarsteller, murmeln etwas Unverständliches.
Wir rauschen ohne ihnen ins Gesicht zu sehen vorbei und rennen zu unserer Aufnahmeleiterin. Hoffentlich hatten wir noch keinen Einsatz.
Setzte mich erschöpft auf die Treppe zwischen der Wohnhalle und dem Treppenaufgang zum Billiardzimmer. Gleich komm ich dran, warte auf den Einsatz. Alles um mich herum ist mir sch...egal.
Dreimal muss ich aufstehen, weil der „Grosse Götz“ auf der schmalen Treppe an mir vorbei will. Beim vierten Mal bleibe ich sitzen, ich blicke nicht mal mehr auf, ER steigt über mich drüber, ich hoffe, dass er sich nicht noch das Bein dabei bricht. Eigentlich ist mir alles egal. Will nur ins Bett, die Schuhe wegwerfen, die Füße brennen.
Er (Schimi) meint freundlich zu mir, ich könnte ruhig sitzen bleiben, er käme locker über mich drüber. Das hat er ja oft genug als Schimi bewiesen – wie fit er ist. Er ist in der Tat erstaunlich fit und ausgeglichen in den frühen Morgenstunden. Ich bekomme eine Autogrammkarte von ihm (obwohl ich nie danach frage aus Prinzip), eigentlich ganz angenehm. Soll mich ausruhen, meint er. Ist halt ein Profi, keine Anzeichen von Erschöpfung und seine Schuhe (Lacktreter vom Feinsten) sind sicher bequemer als meine hochhackigen Sandaletten.
Mir ist kalt. Bin müde. Ich will nur noch ins Bett. Nicht mal Tom Hanks würde mich jetzt am Film-Set halten können. Jack Nicholson würde ich nicht mal grüssen.
Draußen ist es auf 10 Grad abgekühlt. 3.20 Uhr und wir haben die letzte Aufnahme. Danach wird unsere Gage zwischen einem Rolls Royce und einem Bentley bar ausgezahlt.
Ich reiße mir die Schuhe von den Füssen. Schnappe meine Tasche mit den Ersatzklamotten und nehme noch eine Dame mit, die in meiner Richtung wohnt. Wir sind beide total kaputt, aber trotzdem etwas überdreht. Es war eine turbulente Nacht. Sie ist aufgeregter wie ich.
Sie filmte zum erstenmal und schwärmt und redet wie ein Wasserfall. Wenn sie nach hause kommt, wird sie erst mal ein Gläschen Wein trinken, auch wenn es schon vier Uhr morgens ist. Ich lege eine Kassette ein und wir summen mit dem Interpreten: When the waves are too high. Ich lasse sie in einer Hauptstraße raus und mache mir Gedanken, weil die Straßen somenschenleer sind.
Um diese Zeit werden sich wohl keine Unholde rumtreiben. Nur leicht Filmverrückte wie wir.
Nach einigen Minuten fahre ich langsam auf meinen Parkplatz und vor meiner Haustüre und begegne der Zeitungsfrau.
Gott sei Dank geht dieser blöde Reissverschluss gleich auf. Ich reiße mir den Overall vom Leibe und lege mich mit Hochsteckfrisur und voll geschminkt wie Doris Day aufs Bett. Höre die anderen Bewohner schnarchen. Sie berührt es wenig, daß ich eine Nacht mit Schimi gedreht habe.
Schnell entferne ich die Perlenohrringe und den restlichen geliehenen Schmuck und zwänge mich aus dem sündhaft teuren scharzen Miederhöschen (auch geliehen), das mir die letzten Speckspalten eingezwängt hat. Was für eine Filmnacht. Ich träume schon von einem weiteren Einsatz (..mmmh...Jack Nicholson, Richard Dreyfuss – sind ja nur Träume)
hört sich ja interessant an, was du da getrieben hast. Meinst du wirklich diesen Thomas Thieme: http://www.rp-online.de/layout/fotos/223...6216-thieme.jpg ? In deinem Beitrag schreibst du was von gutaussehend, damit hast du aber nicht ihn gemeint? Naja, vielleicht sah er vor 8 Jahren auch noch anderst aus
Attraktiv als Schauspieler, Charisma, Ausstrahlung, wie man das so nennt.
Alle drei Darsteller Götz George, Thomas Thieme und Armin Rohde hatten sehr ausdrucksvolle Stimmen, mit Abstand am eindruckvollsten war die Stimme und schauspielerische Leistung von Thomas Thieme. Er hätte aussehen können wie der Glöckner von Notre Dame, aber er hatte eine sehr große Ausstrahlung.
Götz George ist nicht sehr groß. Die beiden, drei haben ja schon öfters zusammen gespielt.
Ich war bei ca. 300 Dreharbeiten mit dabei, auch meine Töchter usw. Z.B. ein wundervoller Drehtag auf dem Stuttgarter Flughafen ein Thriller "Lautlos" - Rollfeld, Abflughalle uw. mit Joachim Krol. Auch Krol escheint in real unscheinbar, nicht besonders schauspielerisch attraktiv, auch nicht seine Stimme. Man musste direkt fragen: wer oder wo ist Krol? Hatte mit ihm dann wirklich tolle Film-Szenen, war das dramatische Ende des Films. Unvergesslicher Tag, vor allem, weil in stundenlang in der Abflughalle gedreht wurde, in der ich eine Woche später mit meiner Tochter nach Istanbul flog und dort konnten wir zufällig in zwei Filmproduktionen auch mitmachen. "Lautlos" war eigentlich ganz ok, obwohl es ein deutscher Film war, der Regisseur war ein Türke, Mennan Yapo, den ich als Amerikaner zuerst eingeschätzt hatte. Produzent war Tom Tykwer, der auch dort war den ganzen Tag, netter Kerl. Wir haben mitten auf dem Rollfeld herrlich gegessen bei Sonnenschein.
Meine Cousine hat am nächsten Tag mit ihrem Mann im Krematorium auf dem Pragfriedhof mit Kristina Böhm gedreht und am Grab, da war es eiskalt und hat dauernd geregnet und es gab nichts zu essen.
Eines ist mir und meinen Töchtern aufgefallen, je besser die Dreharbeiten waren (lustiger, unterhaltsamer), desto schlechter der Film. Der Film "Liebe Macht Blind" war so einer.