Es gibt zu wenig Futter für Wale an Kanadas Küste.
Seit eine Gruppe von Orca-Walen spurlos verschwunden ist, herrscht Alarmstimmung an der Südwestküste Kanadas. Nach Auffassung von Wissenschaftlern sind die Wale verhungert, weil es zu wenig Lachse für sie gibt. Eine Gruppe von Umweltorganisationen hat deswegen Klage gegen die kanadische Regierung eingereicht. Sie habe die Pflicht, den Lebensraum gefährdeter Tierarten zu schützen, sagt Gwen Barlee, Direktorin des Wilderness Committee: «Aber bislang fehlt es am politischen Willen, das bestehende Gesetz durchzusetzen.»
Eine Killerwalherde mit 83 Tieren, die sich in den Gewässern an der Grenze zwischen dem US-Bundesstaat Washington und der kanadischen Provinz British Columbia aufhält, hatte schon seit einiger Zeit Anzeichen von Abmagerung gezeigt. Dann stellte das Zentrum für Walforschung in den USA plötzlich fest, dass sieben erwachsene Orcas und zwei Walbabys verschwunden waren. Da die toten Orcas fast immer auf den Grund sinken, erwartet der kanadische Zoologe Lance Barrett-Lennard nicht, dass sie angeschwemmt werden.
«Wir sind praktisch sicher, dass sie verhungert sind», sagt er. Die Wale, «Southern Residents» genannt, weil sie sich in den südlichen Gewässern Kanadas aufhalten, seien ziemlich dünn geworden. Wenn Wale hungern, ersetzen sie zunächst das Fett unter der Haut mit Wasser, später verlieren sie auch dieses Wasser. Dann sei es für die Tiere meist schon zu spät, sagt Barrett-Lennard, ein Forscher der Universität UBC in Vancouver. Die Southern Residents zählten einst 200 Tiere, jetzt sind es noch 83 Exemplare. Der jüngste Verlust von sieben Tieren ist für die Herde deshalb fatal, weil darunter fortpflanzungsfähige Weibchen sind.
Klimawandel vertreibt Lachse
«Das Risiko ist gross, dass sie alle sterben werden», sagt Barrett-Lennard. Grund für das Verhungern der Wale ist der Rückgang des Königslachses, der Hauptnahrung der Orcas. Forscher gehen davon aus, dass die Temperatur in den Flüssen, wo die Lachse laichen, durch die globale Erwärmung gestiegen ist, sodass die Lachse zunehmend in die kälteren nördlichen Gewässer ziehen.
Den Orcas um Vancouver Island machen bereits andere Umstände das Leben schwer: Ihre Körper werden von chemischen Rückständen im Meerwasser vergiftet. Im Puget Sound fliehen sie vor den Sonarwellen von Kriegsschiffen. Anderswo machen Boote von Walbeobachtern und Sportfischern das Fischen für die Orcas schwierig.